Wie
sie unschwer erkennen, liebe Leser und Leserinnen, steht diese Ausgabe
unter dem Thema Jung und
Alt. Ausgangspunkt dieser
Planung war aber nicht etwa die Debatte über den Zusammenbruch
unserer Sozialsystem, sondern eine alarmierende Studie Züricher
Wissenschaftler aus dem Jahr 1996, die uns erst jetzt erreichte.
Die Forscher untersuchten altersbedingte Verhaltensunterschiede
bei Laborratten und kamen zu erschreckenden Ergebnissen. Wir zitieren:
Die alten Ratten konnten wegen ihrer Grösse in den gesetzeskonformen
Käfigen gewisse Stellungen, z.B. Männchenmachen, nicht
mehr ausführen.
Was 1996 für das Tierreich galt, hat jetzt auch
die deutsche Gesellschaft erreicht. In Deutschland sah man bis vor
einigen Jahren noch an jeder
Strassenecke ältere Menschen, die Männchen machten, ein Rad schlugen oder mit
ihren Kreditkarten herumfuchtelten, um den Weibchen zu imponieren.
Sie sind verschwunden. Stattdessen streifen angriffslustige Jungnager
durch die Strassen, die sich weigern, in die Rentenkasse einzuzahlen
und mit Alterspyramiden auf Senioren werfen. Der Jugendwahn hat
die Gesellschaft fest im Griff. 25-jährige streifen verwirrt
und greisenhaft in den Szeneshops umher und werden vom Sicherheitsdienst
nach draussen gebracht. 40-jährig Besserverdiener werden von
blutjungen Praktikantinnen so verwirrt, dass sie plötzlich
niemanden mehr entlassen wollen, 70-jährige Rentner blockieren
in Supermärkten die Kassen, weil sie im Wechselgeld kramen.
Vorher haben sie Jüngeren die letzte Tiefkühlpizza weggeschnappt.
Ganz anders
die jungen Ratten. Zitat:
Junge Ratten hielten sich
länger in der Testarena auf und beschäftigten sich häufiger
mit den angebotenen Objekten, wobei bearbeitbare Objekte (Papier
und Gummiball) attraktiver waren als harte Würfel und Murmeln.
Im Open-Field-Test durchquerten die jungadulten Ratten deutlich
mehr Kreissegmente uund betraten das Zentralfeld früher als
alte. Dies ist ein Hinweis auf eine erhöhte Ängtlichkeit
der alten Rattenböcke.
Angst! Wir Alten (bei Ratten beginnt das Greisenalter
bereits schon mit zwei Jahren, bei Menschen etwa um das 19. Lebensjahr
herum, bei Frauen schon früher) haben Angst: Zu versagen, auf
dem glatten Zentralfeld des Lebens auszurutschen, die wackligen
Zähne in einem Stück Rinderfilet zurückzulassen oder
- wenn es überhaupt noch dazu kommt - beim Tète-à-Tète
erst zu lange zu brauchen, hinterher zu schnell einzuschlafen und
währenddessen ans Essen zu denken. Die Jungen denken nur daran,
wie sie bearbeitbare Objekte wie Autos, Frauen und Mobiltelefone bekommen,
fühlen sich in der Testarena der Bars und Sportplätze pudelwohl
und ahnen nicht, dass der faulige Geruch des Alters schon um sie
herumweht.
Der Test beweist übrigens, dass die Ratten den Menschen voraus sind. Sie fügen sich in das Unvermeidliche.
Alte Rattenböcke sind
deutlich inaktiver und im Test weniger explorativ als jungadulte
Ratten. Wozu auch? Was
noch explorieren? Wo noch rumschnüffeln? Die weise Ratte weiss
das alles. Der alte Mensch dagegen versucht sich im Bungeejumping,
Ice-Klimbing, Power-Walking oder Abseiling und weiss doch: Die Zeit
läuft ab.
Wir müssen
Schluss machen, gerade
kommt die Spedition, die unsere Arbeitsplätze abräumt.
Die Redaktion wird aus Altersgründen aufgelöst. Ja, ja,
ich gehe ja schon. Lass mich los! Wo ist denn der Treppenlift?!
Ich kann doch nicht so schnell! Hilfe! |