"Klebe mir, Gott, den Mund nicht
zu mit Unmut oder mit kindischem Trotzen, öffne, der du die
Stammelnden liebst, ihn der geläufigen Rechtfertigung nicht." Der Satz stammt von dem Dichter Rudolf
Otto Wiemer, der 1998 im Alter von 93 Jahren starb. Man mag den
Tod des Künstlers bedauern, für ihn selbst birgt das irreversible
Ereignis den Vorteil, dass er nicht mehr erfuhr, wie seine altersklugen
Sätze von nachwachsenen Generationen mit Füssen getreten
wurden.
Denn die Ausflucht,
die "geläufige Rechtfertigung" ist im maulfaulem Deutschland zu einer Blüte gereift,
die auch oral weitaus versiertere Völker sprachlos macht. Einst
nahmen die Deutschen misstrauisch das Gerede von der Hitze zur Kenntnis,
mit dem uns Italiener und Spanier weismachten, man könne vor
16 Uhr keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Stattdessen gingen sie unseren
blonden Frauen am Strand nach, aber das ist eine andere Geschichte.
Heute ist in Deutschland die Ausflucht so weit verbreitet,
dass sie schon fast in einem allgemeinen
Ausfluss übergeht.
Wie anders wäre die entfesselte Kreativität zu verstehen,
mit der unsere Athleten bei der WM in Paris ihr sinnloses Umherirren
auf Bahnen, in Sandgruben oder Wurfkäfigen verklärten?
Als flösse die zuvor im Wettkampf nicht entfaltete Energie
aus dem Körper des Athleten, wurden Schlafmängel, technische
Mängel, Wettermängel, Publikumsmängel, Klimamängel
und andere bisher nicht bekannte Mängel geltend gemacht, um
die Mängel in der Ausbeute an Medaillen zu erklären.
Stellvertretend
sei ein Hammerwerfer mit
Namen Kobs zitiert, der nach missglückter Athletik sprach:
"Mir haben zwei Meter gefehlt. Ich weiss nicht, wo die geblieben
sind." Wir auch nicht, Kobs! Haben die Funktionäre zu
wenig Meter nach Paris gebracht? Besteht ein mysteriöser Metermangel
in Deutschland?
Wenn sie zu Hause also den einen oder anderen Meter finden, den sie nicht mehr brauchen: Her damit und zu
unseren Athleten! Wenn die Sportler beim nächsten Mal nicht
mehr jedem Meter hinterherlaufen müssen, können sie sich
bessere Ausflüchte suchen. In dieser Disziplin sind nähmlich
jede Menge Medaillen für uns drin. |