Die
Gesundheit der Deutschen soll gründlich reformiert werden.
Dabei sind unsere kranken Mitbürger in besten Händen,
wie wir beobachtet haben:
7:20 Uhr morgens. In der Praxis des Ortopäden Franz
Z. wird soeben der 84. Patient untersucht. "Na, Schmerzen?",
begrüsst der Arzt schmunzelnd den Neuankömmling und klopft
aufmunternd gegen den Metallgriff des Rollstuhls. In der Ecke frösteln
zwei Patienten, die bereits am Vortag geröntgt wurden. "Die
Beine, Herr Doktor", hebt der Rollstuhlfahrer an, doch Franz
Z. winkt ab. "Das wird Ihnen helfen", sagt er und zieht
zwei Spritzen auf. "Danach Massage, wie üblich - und nicht
die Praxisgebühr vergessen, gell!" - "Aber, Herr
Doktor, ich .." Eine bezaubernde Assistentin schiebt Patient
Nr. 84 hinaus.
Franz Z. öffnet
seinen Mahagonischreibtisch
und blättert nachdenklich in den sorgsam geschichteten Banknoten.
"Noch 345 Patienten, dann sollte die Kasse stimmen." Die
Patienten in der Ecke winken ihm schüchternd zu. Franz Z. sieht
sie nicht. Er grübelt. Ist das wirklich der Sinn des ärztlichen
Berufs? Könnten es nicht 200 Patienten weniger proTag sein?
Zeit für Gespräche mit dem Anlageberater. Zeit, um Louis-quinze-Möbel
zu kaufen, um zu segeln ..." "Könnten wir nicht,
Herr Doktor ...", meldet sich einer der Geröntgten aus
der Ecke. Franz schüttelt unwillig den Kopf. "Nicht jetzt!"
17:00 Uhr: Tumultartiger
Lärm weit draussen.
Franz Z. blickt auf: "Wie viele warten?" - "Wenn
wir alle zwölf Warteräume nehmen, sind es genau 456 Patienten,
Herr Doktor", meldet die bezaubernde Assistentin. "Gebt
eine Runde Spritzen aus. Das wird sie beruhigen." Ja die Spritzen.
Ohne die wäre er nervlich längst am Ende. "Bestellen
sie noch mal 12 000 Stück", ruft er der wirklich
bezaubernden Assistentin zu. Scheiss Job! Dass aber auch jeder Trottel,
dem der Rücken wehtut, gleich zum Arzt rennen muss. "Herr
Doktor, mir ist kalt", weint jemand in der Ecke. "Dann
ziehen sie sich bis morgen halt was über", antwortet der
Arzt unwirsch. 80 Spritzen später ist es 21 Uhr. Franz Z. schliesst
seine Praxis, ohne auf die beiden nunmehr stummen Gestalten in der
Ecke zu achten.
Harter Tag! Noch ein Blick in die Zeitung: "Gesundheitsreform?
Dass ich nicht lache. Am Ende soll ich mit jedem x-beliebigen Patienten
noch stundenlang reden." Es dunkelt. Ein Containerdienst fährt
die leeren Spritzen ab. |