Dinge, so oder so

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Die Dinge der Woche (27. Juli 2003)
 

  Die Gesundheit der Deutschen soll gründlich reformiert werden. Dabei sind unsere kranken Mitbürger in besten Händen, wie wir beobachtet haben:
  
7:20 Uhr morgens. In der Praxis des Ortopäden Franz Z. wird soeben der 84. Patient untersucht. "Na, Schmerzen?", begrüsst der Arzt schmunzelnd den Neuankömmling und klopft aufmunternd gegen den Metallgriff des Rollstuhls. In der Ecke frösteln zwei Patienten, die bereits am Vortag geröntgt wurden. "Die Beine, Herr Doktor", hebt der Rollstuhlfahrer an, doch Franz Z. winkt ab. "Das wird Ihnen helfen", sagt er und zieht zwei Spritzen auf. "Danach Massage, wie üblich - und nicht die Praxisgebühr vergessen, gell!" - "Aber, Herr Doktor, ich .." Eine bezaubernde Assistentin schiebt Patient Nr. 84 hinaus.
  
Franz Z. öffnet seinen Mahagonischreibtisch und blättert nachdenklich in den sorgsam geschichteten Banknoten. "Noch 345 Patienten, dann sollte die Kasse stimmen." Die Patienten in der Ecke winken ihm schüchternd zu. Franz Z. sieht sie nicht. Er grübelt. Ist das wirklich der Sinn des ärztlichen Berufs? Könnten es nicht 200 Patienten weniger proTag sein? Zeit für Gespräche mit dem Anlageberater. Zeit, um Louis-quinze-Möbel zu kaufen, um zu segeln ..." "Könnten wir nicht, Herr Doktor ...", meldet sich einer der Geröntgten aus der Ecke. Franz schüttelt unwillig den Kopf. "Nicht jetzt!"
  
17:00 Uhr: Tumultartiger Lärm weit draussen. Franz Z. blickt auf: "Wie viele warten?" - "Wenn wir alle zwölf Warteräume nehmen, sind es genau 456 Patienten, Herr Doktor", meldet die bezaubernde Assistentin. "Gebt eine Runde Spritzen aus. Das wird sie beruhigen." Ja die Spritzen. Ohne die wäre er nervlich längst am Ende. "Bestellen sie noch mal 12 000 Stück", ruft er der wirklich bezaubernden Assistentin zu. Scheiss Job! Dass aber auch jeder Trottel, dem der Rücken wehtut, gleich zum Arzt rennen muss. "Herr Doktor, mir ist kalt", weint jemand in der Ecke. "Dann ziehen sie sich bis morgen halt was über", antwortet der Arzt unwirsch. 80 Spritzen später ist es 21 Uhr. Franz Z. schliesst seine Praxis, ohne auf die beiden nunmehr stummen Gestalten in der Ecke zu achten.
  
Harter Tag! Noch ein Blick in die Zeitung: "Gesundheitsreform? Dass ich nicht lache. Am Ende soll ich mit jedem x-beliebigen Patienten noch stundenlang reden." Es dunkelt. Ein Containerdienst fährt die leeren Spritzen ab.

 

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