Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (08. Dezember 2002)
 

  München, Stadtteil Ramersdorf. Drei junge Männer treffen sich im Partykeller eines unscheinbaren Reihenhauses. An der Wand, gleich neben dem Kruzifix, ein vergilbtes Poster mit Franz Josef Strauss, der zwei bayerische Gebirgsschweisshunde tätschelt. Auf dem Tisch Weisswürste, Weissbier in Dosen, weisser Radi. Keine Brez'n. Das Telefon auf dem mit Bierflecken und Nikotinschlieren versauten Tisch klingelt. Am anderen Ende ist Müllermeister Michael Glos, der in zwei Tagen im Bundestag eine Rede bei der Generaldebatte zum Haushalt 2003 halten soll, direkt vor Bedrängniskanzler Schröder. "Schreibt's was kerniges", herrscht Glos die CSU-Kreativabteilung "Gesprochenes Wort" an. "Thema?", fragt der wachhabende Chefschreiber. "Lügner, Versager, Angeber Schröder", bellt der Landesgruppenchef. "Gut - sollten wir auch was Konstruktives reinstricken, vieleicht Ansätze einer neuen Wirtschaftspolitik, einen Programmentwurf zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit, unsere Haltung in der Irak-Krise?" Der Chefschreiber verzieht plötzlich das Gesicht und hält den Hörer weg. Die anderen blicken von ihren Bierdosen auf, hören Wortfetzen wie "Depp" ... "noch nie gemacht" ... "Sauschmarrn" ... "Saprafix-Zement".

  Die Arbeit beginnt. Der jüngste der drei, ein ABM-Kandidat, der noch vor 14 Tagen bei Premiere World den Wetterbericht redigiert hat, legt eine halbe Weisswurst achtlos auf die Weissbierdose und öffnet ein kleines Kästchen auf dem "Redefragmente FJS" steht.
Das Schatzkästchen der CSU wurde vor einigen Jahren unter dem Sitz der Cessna auf dem Flughafen Riem gefunden. Unter G wie Generaldebatte findet sich ein Querverweis auf H wie Heine: "Denk' ich an Deutschland in der Nacht, fühl ich mich um den Schlaf gebracht." "Gut?", fragt der Neue. "Ja", sagt Nummer zwei und lässt seine Kippe in der Weissbierdose verzischen, "aber nicht kernig." Sie suchen weiter, finden "Faktenverschleierung", "Wirklichtkeitsverweigerung", "tönerne Füsse (stehen auf)" und "getroffene Hunde bellen". "Das mit dem Hund nehmen wir nicht - zu positiv in Bayern", sagt der Chefschreiber. Der Rest ist Routine. Das Aufsatzprogramm für die gymnasiale Mittelstufe von Microsoft umgarnt die Kernaussagen mit leicht zu sprechendem Fliesstext. "Sauber", sagt der Chefschreiber, "das braucht die Republik." Es ist eine gute Rede geworden.

  Was die Republik wirklich braucht, sind indes
Fernsehabende mit Tony Marschall. Deshalb sind wir untröstlich, dass Tony (Ho-ja-ho-ja-ho) Marschall seine Moderation beim "Fröhlichen Feierabend" des SWR aufgibt. EIn Tipp für seine Freunde: Es gibt im Januar noch ein "Tony Spezial" aus dem Bierkrug-Museum in Bad Schussenried. Was Tony künftig macht? Er wird Chefschreiber Humor bei der SPD.

 

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