Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. November 2002)
 

  Wie bei Hempels unterm Sofa muss es im Büro des FDP- Vorsitzenden Guido Westerwelle aussehen. Berge von Briefen und Faxen, von Kontoauszügen, Flugblättern und Kantinenplänen stapeln sich vor überforderten Mitarbeitern. Westerwelle kriegt nichts mehr mit. Ein wachsamer Parteifreund informierte den Chef zwei Wochen vor der Bundestagswahl über die israelfeindliche Flugblatt- Kampangne des Kollegen Möllemann, doch das Schriftstück ging irgendwo unter. Kurz vor der Wahl seien halt zehntausende Briefe und Faxe eingegangen, erklärt der Spasspolitiker. Hier möchten wir helfen und und bieten Westerwelles Büroleiter einen Praktikantenplatz im Redaktionssekreteriat an. Die Aufgabe: Post öffnen und pro Adressat ein Häufchen bilden. Den Stapel dann dem jeweiligen Adressaten auf den Schreibtisch legen - fertig.

  Angstvoll stellen sich die
FDP-Wähler jedoch eine ganz andere Frage: Wenn Westerwelle postmässig schon von seinem Amt als Parteivorsitzender überfordert ist, wie hätte er denn da als Kanzler die Übersicht behalten sollen? Glaubt er ernsthaft, im Bundeskanzleramt gingen täglich nur ein paar Bitten um Spendenbescheinigungen ein?

  Spendenbescheinigung - das gab es früher nicht. Ältere Menschen erinnern sich an die Zeit nach dem letzten Krieg. Trümmer auf die Seite räumen, hamstern, dann die Währungsreform, Braten mit dicker Sosse, die erste Couchgarnitur und immer schön arbeiten. Pflaster bekam man auf Rezept, für ein Auto hingegen reichte es noch nicht ganz. Das Geld kam aufs Sparbuch und wurde langsam mehr. Kurz: Es waren 57 gute Jahre. Damit ist jetzt Schluss, sagt Bundeskanzler
Gerhard Schröder im Bundestag. "Zu Reform und Erneuerung gehört auch, manche Ansprüche, Regelungen und Zuwendungen des deutschen Wohlfahrtsstaates zur Disposition zu stellen." Der Mann ist weder Liberaler noch Volkswirt einer grossen deutschen Bank, sondern so genannter Sozialdemokrat. Aber sicher geht er mit gutem Beispiel voran, setzt seine kubanischen Zigarren und seine schnöseligen italienischen Anzüge nicht mehr als Werbungskosten von der Steuer ab und ersetzt seine Ich-habe-Freude-an-der-Macht-Mimik durch das Die-Lage-ist-ernst-Gesicht. Zur Alterssicherung müsste er dann nur noch sein Reihenhäuschen in Hannover abbezahlen.

 

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