Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (11. August 2002)
 

  Um endlich zu einer Versachlichung der Bonusflugdebatte zu kommen, haben wir zwei deutsche Politiker auf ihren kräfteraubenden Dienstreisen begleitet:

  Mittwoch, 8.30 Uhr: Frankfurt-Airport:
Rezzo Schlauch lässt sich vor der Senator-Lounge aus dem Elektrofahrzeug helfen. Sein Kopf schmerzt noch von der Fraktionssitzung im Berliner Hotel Adlon. Eine reizende Eurasierin führt ihn zu einem reservierten Sitz am offenen Kamin. Er nickt sofort ein. Zur selben Zeit kratzt sein Parteifreund Winfried Hermann einen alten Kaugummi aus dem rissigen Sitz seines Trecking-Rads. Es regnet. Hermann muss zu einer Tagung über die Lage der Reisbauern im östlichen Nepal. Auch Schlauch ist dienstlich unterwegs. Er fliegt mit der Lufthansa Nummer 9762 nach Singapur, um eine Nähmaschine an ein lokales Hilfsprojekt zu übergeben. Auf Grund der Belastung hat er sich für einen Erste-Klasse-Flug entschieden.

  9.30 Uhr: Hermann knetet missmutig seine nasse Breitkordhose. Es regnet. Zur selben Zeit schnuppert Schlauch gelangweilt an einem Amuse-Gueule, das ihm die Stewardess , eine reizende Mulattin, reicht.
Immer diese Kopfschmerzen! Vieleicht hilft Champagner. Zehn Stunden später: Schlauch räkelt sich unruhig in seinem Full-Flat-Bett. Sein Seidenpyjama ist schweissnass. Er träumt schwer. Aufgebrachte Wähler bewefen ihn mit lauwarmen Fertiggerichten aus der Economyklasse. Eine Stewardess streicht ihm beruhigend über den Kopf. Zur selben Zeit wird Hermann von einem Autofahrer bedrängt und kann nur mit Mühe einen Sturz vermeiden.

  20 Stunden später: Schlauch kann beim
Besteigen einer Rikscha in Singapur nur mit Mühe einen Sturz vermeiden. Verdammter Champagner! Er wird von dem Rikscha-Fahrer ins Raffles-Hotel gefahren. Der Mulatte keucht. Scheusslich diese Arbeitsbedingungen, denkt sich der Grüne, der als soziale Gewissen seiner Partei gilt. Auch Winfried Hermann keucht. Er kommt zu spät. Seine Kleidung riecht wie ein nasser Hund. Doch auch in Singapur ist die Luft schlecht. Schlauch lässt seinen massigen Leib auf das Wasserbett gleiten und atmet tief durch.

  38 Stunden später: Hermann fährt in sein Büro. Unterwegs wird er von Arbeitslosen als
Polit-Schmarotzer beschimpft und mit Bierdosen beworfen. Auch Schlauch ist auf dem Rückweg. Er konnte seinen Termin nicht halten, weil er einen alten Freund aus der nicaraguanischen Befreiungskrieg an der Hotelbar getroffen hat. Kopfschmerzen. In der Fraktion wird er für seinen Einsatz gelobt, Hermann dagegen kritisiert. Er benutze sein Fahrrad zur Profilierung. Hermann verspricht, künftig Bonusmeilen zu sammeln.

 

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